Noch immer fährt gut jeder Zweite in der Stadt mit dem eigenen Auto – Bike- und Carsharing nutzen nur wenige
Berlin, 19. Dezember (ssl) Die Nutzung unterschiedlicher Verkehrsmittel für einen einzigen Weg ist in Großstädten bereits stark ausgeprägt. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Marktforschungsinstituts Quotas, die der Verkehrsclub Deutschland (VCD) am Montag in Berlin vorstellte. Dabei kam aber auch heraus, dass sich die überwiegende Mehrheit der Befragten nicht an der Shared Economy beteiligt, soweit es um die Mobilität geht.
Ganz allgemein sind Großstädter flexibel, was die Nutzung von Verkehrsmitteln angeht, wie Philipp Kosok, der Projektleiter der Erhebung, erklärte. Dass sie sich dabei Gedanken über die Umweltfreundlichkeit ihrer Mobilität machen, ließ sich aus der Umfrage eher nicht schließen. „Umweltfreundliche Verkehrsmittel überzeugen noch zu wenige“, resümierte Kosok. So nutzen 54 Prozent noch den eigenen Pkw oder das Motorrad, um in der Stadt unterwegs zu sein. Aber immerhin gaben auch 22 Prozent an, das nie zu tun. Auf das Fahrrad vertrauen 38 Prozent häufig oder sehr häufig, auf den öffentlichen Nahverkehr 40 Prozent. Mehr als 20 Prozent der Befragten nutzen den Nahverkehr jedoch selten oder nie, und mehr als 30 Prozent verzichten auf das Fahrrad. Carsharing und noch mehr Bikesharing stellen sich dagegen im tatsächlichen Nutzerverhalten vorerst als Nischenanwendungen heraus: 89 Prozent der Befragten nutzen nie Carsharing, und 91 Prozent nie Bikesharing.
Für einen einzelnen Weg nutzen vor allem die jüngeren Erwachsenen im Alter von 18 bis 25 Jahren verschiedene Verkehrsmittel. Bei ihnen lag die Multimodalquote für Einkäufe bei knapp 45 Prozent und für den Weg zur Arbeit ein wenig höher, aber unter 50 Prozent. Immerhin bemühten sich zumindest in rund 20 der Großstädte, in denen die Daten erhoben wurden, Stadtverwaltungen oder öffentliche Nahverkehrsunternehmen, multimodale Nutzung mit einfachen Zugangs- und Zahlungsmöglichkeiten anzubieten.
Sie entsprechen damit den Wünschen der Befragten, die es erstens möglichst billig haben wollen, zweitens eine bessere Anbindung und drittens eine höhere Taktdichte im öffentlich en Nahverkehr wünschen. Viele Städte und Nahverkehrsunternehmen bieten trotz der vergleichsweise sehr geringen Beliebtheit auch Bike- und Carsharing an. Um eine höhere Beteiligung an diesen Systemen zu erreichen, erwarten sie in beiden Fällen günstigere Preise und ein größeres Nutzungsgebiet. Außerdem verlangen sie beim Bikesharing die Einbindung ins Abonnement und beim Carsharing eine höhere Verfügbarkeit der Fahrzeuge.
Auf der anderen Seite nannten sie aber auf die Frage „Welche Elemente der multimodalen Nutzung sind für Sie am attraktivsten?“ zu 57 Prozent die Kosten nur für in Anspruch genommene Leistungen, also den Verzicht auf die Grundgebühr beim Sharing. An zweiter Stelle kam die Antwort „Ein Ticket für Nahverkehr, Carsharing und Fahrradverleih“, und an dritter „Keine erneute Registrierung bei den einzelnen Anbietern“.
Den größten emotionalen Widerstand gegen multimodale Mobilität im Stadtverkehr leisteten erwartungsgemäß Autofahrer, und nach der Aussage des VCD wächst diese Gruppe derzeit sogar. Jene jungen Erwachsene, die zur Multimodalität bereit sind oder sie schon praktizieren, haben zudem genaue Vorstellungen vom Verkehrssystem. „Routeninformationen sollen zunehmend online und über Apps bereitgestellt werden. Mobilitätsstationen müssen nicht groß sein, aber möglichst vor der Haustür stehen, so 68 Prozent der Befragten.“ Was ÖPNV-Funktionäre manchmal verzweifeln lässt, aber wohl die Zukunft ist, wenn das Auto zunehmend aus den Städten verbannt wird: die „individuelle öffentliche Mobilität“, wie es Bahnchef Rüdiger Grube aus anderem Anlass nannte.
Auch wenn immer wieder das möglichst günstige Ticket als Voraussetzung für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel genannt wird, zog Kosok doch das Fazit: „Die ÖPNV-Kundschaft ist bereit, einen Aufschlag auf ihr Monatsabo zu zahlen, wenn dafür Basisleistungen mit Bike- und Carsharing enthalten sind.“ Aber auch: „Mobilitätsverhalten entscheidet sich vor der Haustür.“