Bahnindustrie: Eine Milliarde Einbußen durch Zulassungsverfahren

Martin Lange von Alstom löst Michael Clausecker als Verbandspräsident ab

(aktualisiert, neu im letzten Absatz: Präsidenten-Wechsel)

Berlin, 8. April (ssl) Die deutsche Bahnindustrie hat die Gewinneinbußen durch Verzögerungen bei Zulassungsverfahren für Lokomotiven und Wagen auf kumuliert fast eine Milliarde Euro beziffert. Diese Zahl nannte der Präsident des Verbandes der Bahnindustrie (VDB), Michael Clausecker, am Dienstag in Berlin bei der Jahrespressekonferenz. Clausecker begrüßte zugleich, dass das Bundesverkehrsministerium als übergeordnete Behörde des Eisenbahn-Bundesamtes im vergangenen Sommer eine Übergangsregelung zur Reform der Zulassungsprozesse in Kraft gesetzt hat.

Auftragseingang der deutschen Bahnindustrie 2011-2013. Quelle: VDB
Auftragseingang der deutschen Bahnindustrie 2011-2013. Quelle: VDB

Die Verfahren waren in die Kritik geraten, nachdem sich die Auslieferungen sowohl von Nahverkehrszügen des Herstellers Bombardier als auch von ICE-Hochgeschwindigkeitszügen von Siemens um Jahre verzögerten. Zwar räumten beide Hersteller ein, auch selbst zu enge Zeitpläne erstellt zu haben, aber zugleich stellte sich heraus, dass das EBA während des Zulassungsprozesses Standards verschärfte, was vielfach neue Designs bei Software und anderen Komponenten der Fahrzeuge erforderte. Clausecker sagte, es gehe der Industrie „allein darum, pragmatische und berechenbare Zulassungsverfahren für Bahntechnik in Deutschland so schnell wie möglich umzusetzen“. Erste Erfolge der Übergangsregelung seien bereits erkennbar, für eine repräsentative Bilanz sei es aber noch zu früh.

Eine neue Rekordmarke setzte die Bahnindustrie im vergangenen Jahr beim Auftragseingang. Er stieg um 42 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 14,9 Milliarden Euro und übertraf damit den bisherigen Wert von 14,5 Milliarden aus 2011. Die starken Steigerungsraten sind im Inland auf einen Rahmenvertrag für Elektrolokomotiven mit der Deutschen Bahn und einen Nachtrag bei den Bestellungen für die neue Fernzuggeneration ICx zurückzuführen. Aus dem Ausland kamen Aufträge aus Großbritannien und Finnland nach Deutschland.

Der Umsatz ging im vergangenen Jahr dagegen spürbar um 6,5 Prozent auf 10,0 Milliarden Euro zurück. Maßgebend hierfür war der Umsatz mit Schienenfahrzeugen, bei der Infrastruktur stieg er zwar, erreichte aber nach Clauseckers Angaben nicht annähernd die Summen, die zur Erhaltung eines funktionierenden Schienenverkehrs in Deutschland erforderlich wären. „Strukturell schwach, auf einem niedrigen Niveau und unternehmerisch enttäuschend“ nannte der VDB-Präsident das Geschäft in diesem Bereich, dem „großen und notorischen Sorgenkind“ der Branche. Auch wenn das Bundesverkehrsministerium seine Investitionen um je 250 Millionen Euro für 2013 und 2014 angehoben habe, sei die Infrastruktur chronisch unterfinanziert. Die Bahnindustrie hält eine Summe von 3,5 Milliarden Euro jährlich für staatliche Ersatzinvestitionen für erforderlich. Derzeit sind es 2,75 Milliarden.

Clausecker setzte sich daher nachdrücklich für eine fondsgestützte Finanzierung ein, damit die bereitgestellten Mittel auch überjährig verbaut werden könnten. In den Fonds solle unter anderem der Jahresüberschuss der Infrastruktursparte der Deutschen Bahn einfließen. Die Industrie habe darüber hinaus das Interesse, dass auch die übrige Dividende der Deutschen Bahn „vollständig der Schieneninfrastruktur als Baukostenzuschuss zugute“ komme.

Neuer Präsident des VDB ist seit Dienstag Martin Lange, Vorstand Transport des Herstellers Alstom Deutschland AG. Das VDB-Präsidium wählte ihn turnusmäßig zum Nachfolger Clauseckers, der als Vertreter von Bombardier Transportation ebenfalls weiter dem VDB-Präsidium anhören wird.