Die wundersame Vermehrung der „Bodenfläche insgesamt“
Berlin, 22. Januar 2014 (ssl) Die Bodenfläche der Bundesrepublik Deutschland war nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes 2012 scheinbar um etwa 20.000 Fußballfelder – genau 199 Quadratkilometer – größer als 1992. Das geht aus der Destatis-Publikation „Land- und Forstwirtschaft, Fischerei – Bodenfläche nach Art der tatsächlichen Nutzung“ von 2012 hervor. Wie kommt das?In der Publikation geht es um die Nutzungsarten der Bodenfläche, ein Thema, das zum Beispiel bei der Diskussion um den „Flächenverbrauch“ für Siedlungsprojekte oder Verkehrsflächen oder bei Fragen nach Zuwachs oder Rückgang der land- oder forstwirtschaftlich genutzten Fläche immer wieder aufkommt. Solche Erhebungen führen etwa zu der Angabe, dass 30,2 Prozent der Fläche Deutschlands mit Wald bestanden sind – Tendenz steigend. In dem Zahlenwerk findet sich als Grundlage der verschiedenen Quoten der Nutzungsarten stets die „Bodenfläche insgesamt“ der Bundesrepublik sowie der Bundesländer.
Mehr als 357.000 Quadratkilometer
1992 betrug demnach die Gesamtfläche der Bundesrepublik 356.970 Quadratkilometer, 20 Jahre später aber 357.169 Quadratkilometer – genau 199 km2 mehr. Das ist relativ zur Gesamtfläche nicht einmal im Prozentbereich, aber absolut gesehen doch schon ganz ordentlich: Als Vergleichsmaßstab kann ein Fußballfeld dienen, als dessen maximale Größe nach den FIFA-Regeln 10.800 Quadratmeter zugelassen sind. Mithin sind 199 km2 ziemlich genau 20.000 Fußballfelder oder die doppelte Fläche der Stadt Gelsenkirchen.
Angesichts des Umstandes, dass in dieser Zeit weder erfolgreiche Eroberungskriege geführt noch anderweitige Landnahme durch Verwaltungsakte erfolgte und allein die Landgewinnung an den Küsten nicht zu einem solch großen Flächenzuwachs führen konnte, wandte sich „Schiene Straße Luft“ an das Statistische Bundesamt.
Jahrhunderte alte Messungen
Die wundersame Zunahme liegt tatsächlich zum kleineren Teil an der Landgewinnung an den Küsten, wie die Nachfrage ergab. Zum größeren Teil aber ist die Ursache historischer Natur. Bisher ist noch nie ein offizieller Auftrag ergangen, die Fläche der Bundesrepublik mit modernen Methoden, etwa satellitengestützt, zu vermessen. Vielmehr ergibt sich der offizielle statistische Wert für die „Bodenfläche insgesamt“ aus der Summe einer Vielzahl von Angaben beziehungsweise Vermessungen, wie sie in den Grund- und Liegenschaftsbüchern eingetragen sind. Teilweise beruhen die Angaben auf Jahrhunderte alten Messungen.
Die Angabe wird immer präziser
Wenn aber nun Grundstücke aus den verschiedensten Gründen neu vermessen werden, etwa bei Teilungen oder Neufestlegungen, dann werden modernere Methoden angewandt, die zu präziseren Ergebnissen führen, wie das Bundesamt erläuterte. „Die Angabe wird also immer präziser.“ Da stellt sich doch die Frage, warum nicht ganz Deutschland nun einmal satellitengestützt vermessen wird, um endlich einen Wert der „Bodenfläche insgesamt“ zu erhalten, der den Tatsachen entspricht.
Die Statistiker seien sich des Phänomens bewusst, die Behörden wollten aber diesen Schritt wohl nicht tun. „Diese Büchsen der Pandora will man offenbar nicht öffnen“, meinte der Sachbearbeiter. Juristische Konsequenzen seien denkbar, aber dafür sei er nicht zuständig. Man stelle sich vor, ein Großgrundbesitzer erfährt auf diese Weise, dass seine Latifundien kleiner oder größer sind, als es in der Berechnungsgrundlage für die Grundsteuer steht: Nach- oder Erstattungsforderungen wären die Folge – in der Summe ein unermesslicher Verwaltungsaufwand. Eine Frage aber blieb, die auch die Statistiker zunächst nicht beantworten konnten: Warum nimmt die Fläche kontinuierlich zu und nicht auch mal ab? Rundungsfehler?