Porsche und die Denkmaldiskussion

Eine Ausstellung mit „Nr. 1“ zum 70. Jubiläum

Berlin, 19. März (ssl) Walter Röhrl ist eine Autofahrerlegende. Er ist der einzige deutsche Rallye-Weltmeister. Jetzt, im Alter von 71 Jahren, ist er Porsche-Markenbotschafter. Als solcher war er am Montag (19. März) Gast bei der Eröffnung einer Ausstellung der Zuffenhausener zum 70-jährigen Markenjubiläum in Berlin. Abgesehen davon, dass er seine beiden Weltmeistertitel 1980 für Fiat und 1982 für Opel – auf einem Ascona 400, man kann es sich heute kaum noch vorstellen – errang, nimmt man ihm ab, dass er Porsche-Fan war und ist. Und er kann offenbar immer noch schnell fahren: Sein Flieger aus Bayern am Sonntag fiel aus, wie er erzählte. Da setzte er sich kurzerhand ins Auto – welches, verriet er nicht – und fuhr „in knapp vier Stunden“ nach Berlin. Wir wissen nicht genau, von wo in Bayern er diese Leistung erbrachte, und lassen das deshalb unkommentiert.

Rallye-Legende Walter Röhrl vor der „Nr.1“, dem ersten Porsche, der die Betriebszulassung erhielt. Als Showcar ist das Fahrzeug bis zum 31. Mai die Zierde der Ausstellung „70 Jahre Porsche Sportwagen“ in Berlin. Fotos: Rietig

Sicher ist bei allem Respekt vor Röhrl als Autofahrer, dass er es nicht mit seinem 55 Jahre alten Porsche 356 geschafft hat. So einen hatte er als allererstes Auto, und so einen hat er jetzt wieder. Natürlich ging es bei der Ausstellungseröffnung sehr lange um diesen Porsche-Typ, denn dessen „Nr. 1“ markiert die Geburtsstunde der Marke Porsche.

Deren Fans kennen alle die Sprüche, die sich um dieses Fahrzeug ranken und von denen auch dieser am Montag wieder zitiert wurde: „Am Anfang schaute ich mich um, konnte aber den Wagen, von dem ich träumte, nicht finden. Also beschloss ich, ihn mir selbst zu bauen“, wird von Firmengründer Ferry Porsche überliefert. Es hatte als Mittelmotor, also zwischen den Achsen, ein VW-Käfer-Aggregat, das von 25 auf 35 PS getunt war. Ein solches Auto wurde nie wieder gebaut, es lässt auch nur vor von vorne deutlich die Verwandtschaft mit dem späteren Typ 356/2 mit Heckmotor erkennen. Das Original wechselte mehrfach den Besitzer, erhielt andere Motoren, andere Karosserieteile, andere Instrumente, um nur einige Modifikationen zu nennen, und befindet sich jetzt, nur teilweise rückgebaut, im Porsche-Museum in Stuttgart.

In Berlin steht nun etwas, das dem damaligen Originalzustand näher kommt, nämlich ein Showcar, wie es Achim Stejskal, der Leiter des Porsche Museums, nennt. Es hat weder Motor noch Getriebe, aber die Autobauer in Zuffenhausen haben sich alle Mühe gegeben und keinen Aufwand gescheut, Struktur, Karosserie und Inneneinrichtung in einem Zustand auszuführen, der der Nummer eins gleichkommt, die am 8. Juni 1948 in Klagenfurt die Betriebserlaubnis erhielt: Die alten Fotos wurden digitalisiert, um die genaue Form erfahrbar zu machen. Die Handwerker bauten einen 1:1 Block aus Styropor, um zu erkennen, ob Formen und Anmutung des Showcars dem Original gleichkommen.

Kuno Werner, Werkstattleiter des Porsche-Museums und verantwortlich für dieses Exponat, erklärt, warum: „Wir hätten auch das Original vollständig zurückbauen können, aber dann hätten wir seine ganze Geschichte zerstört. Deshalb entschieden wir uns für diese Lösung.“ Die Diskussionen, die es dabei unter den Porsche-Verantwortlichen gegeben haben muss, dürften an einschlägige architekturhistorische Debatten erinnert haben: Lassen wir die Geschichte, die das Denkmal erlebt hat, sichtbar, oder löschen wir sie aus, indem wir den Ursprungszustand wiederherstellen?

Das Ergebnis: Gitterrohrrahmen, Aluminium Verkleidung, versenktes Nummernschild, rotes Leder, Wagenfarbe stahlhellblaumetallic (?) mit verhaltenem Glanzeffekt. Die Typ-Nummer 356 erklärt sich daraus, dass es die 356. Konstruktion des Ingenieurs Ferry Porsche war. Sie durfte bleiben und das damit verbundene Auto wurde ebenso zur Legende wie der Nachfolger 901 – vielmehr 911, der von 1963 bis heute durchhält und „still going strong“. Es war zwar die 901. Konstruktion, aber dreistellige Typbezeichnungen mit einer Null in der Mitte durften damals nur Peugeots tragen. Porsche änderte kurzerhand die Nummer, aber einige 901er waren schon ausgeliefert. Wer heute einen hat, hat ausgesorgt. Eine neuerliche Typnummernänderung kam dann trotz einschneidender Ereignisse nicht infrage, die zumindest im Englischen nun als Nine-Eleven in trauriger Erinnerung sind.

Das ist der millionste 911er. Gebaut im vorigen Jahr, ohne äußerlichen Schnickschnack, in Irisch-Grün. Erinnert ans Racing Green englischer Oldtimer. Unverkäuflich.

Am anderen Ende der Zeitleiste steht Mission E. Dazwischen Autos wie der 914er oder die „Rennsau“, ein 917er Rennwagen. Dieser Porsche soll 2019 serienreif aus die Straße kommen. Er wird vollelektrisch unter einem 800-Volt-Bordnetz betrieben und soll in erträglicher Zeit so aufgeladen werden können, dass er 400 Kilometer Reichweite zur Verfügung stellt. Auch dessen viertüriger Prototyp steht – mit typischer Porsche-Sportwagen-Formensprache anstatt SUV- oder Familienwagen-Adaption – in der Ausstellung.

Mission E. Auch ein Porsche.Typische Formensprache, vollelektrisch. Die Emotionen müssen erst noch kommen.

Röhrl meinte in seiner Eigenschaft als Porsche-Werbebotschafter: „Wenn das Unternehmen seine bisher gefahrene Strategie beibehält, kann nix schief gehen“ mit der Zukunft des Sportwagens. „Aber wahrscheinlich muss man künftig auf ein bissel was verzichten“. Zunächst zum Beispiel darauf, die Strecke zwischen Berlin und München mit dem Auto in „knapp vier Stunden“ zurückzulegen. Dafür gibt es ja nun den Zug – wenn die Bahn nicht gerade die Bahnhöfe Leipzig und Halle wegen Neuschnees mal eben stilllegt.

„70 Jahre Porsche Sportwagen“ – Ausstellung vom 20. März bis 31. Mai 2018 im Drive. Volkswagen Group Forum, Unter den Linden/Ecke Friedrichstraße Berlin. Eintritt frei. Geöffnet täglich von 10:00 bis 20:00 Uhr.