In „Mondnacht – Fünf vor Zwölf“ trifft Klimaschutz auf Poesie
Berlin, 6. Oktober (ssl) Ein Buch, das lediglich politische Artikel über die Anforderungen des Klimaschutzes enthält, würde ich mir nicht kaufen, nicht einmal leihen, auch wenn in ihm verschiedene Standpunkte zusammengeführt werden, wie die Pariser Ziele zur Begrenzung der Erderwärmung zu erreichen sind. Ich brauche es nicht mehr: Es hieße Eulen in Athen zu züchten. Das Buch „Mondnacht – Fünf vor Zwölf“ habe ich trotzdem gelesen, weil es solche Artikel mit klassischen Gedichten von Andreas Gryphius über Shakespeare, Goethe und Eichendorff bis Günter Plessow verbindet.
Und tatsächlich: Zunächst macht sich Enttäuschung breit, weil all die Forderungen und Statistiken wiederholt werden, die wir schon kennen. Da wirken die Gedichte, die nicht immer direkt mit dem Klimawandel in Zusammenhang zu bringen sind, beruhigend.
Statt in mehr oder weniger ausgeprägter Radikalität Handlungen einzufordern, müssen ja Mehrheiten organisiert werden, um die Transformation herzustellen. Da hilft es nichts, pauschale Schuldzuweisungen an den globalen Norden über die Kolonisation und deren negative Folgen zu wiederholen, auch wenn sie zutreffen. Aber es führt eben nicht zu einer konstruktiven Fehlerkultur.
Öfter wiederholt werden darf dagegen eine wissenschaftliche Vorausschau, wer mit welchen Mitteln etwas dazu tun kann, das 1,5°C-Ziel im Blick zu behalten, wie sie zum Beispiel Nico Paech beiträgt. Oder Erinnerungen an den Beitrag der Landwirtschaft weltweit, aber auch in Deutschland, zum Klimawandel. Oder eine Darstellung der Rolle des Waldes bei der Bekämpfung der Erderwärmung, die auch nicht ausspart, dass– wie in der Landwirtschaft – romantische Vorstellungen vom Bauerntum oder dem deutschen Wald nur ganz wenig hilfreich sind und angemessene Eingriffe in das natürliche Wachstum durchaus produktiv sein können.
Und beim Wald – natürlich – ist der Dichter sofort dabei. Ob es Goethes unvergleichliches „Wanderers Nachtlied – Ein Gleiches“ ist oder einschlägige Werke der Romantiker – ich habe viele Anregungen für weitere Beschäftigungen mit der Materie erhalten. Vor allem Georg Philipp Harsdörffer (1607-1658), einen barocken Geisteswissenschaftler, muss ich noch entdecken: „Es grünt der Wald mit frechen Sprossen…“. Von daher hat sich die Lektüre gelohnt, und mein persönlicher Einsatz gegen die Erderwärmung geht auch weiter.
Von jedem verkauften Buch geht ein Euro an Fridays for Future.
Verfuß, Chris, und Erdmann, Felix: Mondnacht – Fünf vor Zwölf. Antworten auf die Klimakrise. Berlin: Trabanten Verlag 2021, 560 Seiten, Hardcover. ISBN 978-3-9822649-7-4, 24,– €