Planfeststellungsunterlagen eingereicht – 2015 könnten die Bagger auf der Insel anrücken – Sorgen um Lärm, Tourismus und Schweinswale
Berlin, 22. Oktober 2013 (ssl) Mit der Abgabe der Planfeststellungsunterlagen für den deutschen Teil ist das Projekt der festen Fehmarnbeltquerung in eine neue Phase getreten. Verläuft das jetzt beginnende Verfahren planmäßig, könnten auf der Ostseeinsel 2015 die ersten Bagger zu graben beginnen. Zurzeit sieht die Planung vor, dass Ende 2021 die ersten Züge und Autos durch den 17,6 Kilometer langen Tunnel unter einer der meistbefahrenen natürlichen Wasserstraßen der Welt fahren.
Der Tunnel soll vier Röhren haben, zwei für je zwei Autobahnfahrstreifen plus Standstreifen und zwei für je ein Eisenbahngleis. Die Elemente des Tunnels werden an Land in Rödbyhavn gefertigt, an den berechneten Ort geschleppt und dann in einen vorgefertigten Graben abgesenkt. Bisher gibt es erst eine durchgehende Straßenverbindung zwischen Mitteleuropa und Skandinavien, nämlich über die Beltbrücken zwischen Fünen und Seeland sowie die Öresundbrücke zwischen Kopenhagen und Malmö. Diese Fahrtstrecke wird mit der Fehmarnbeltquerung um etwa 160 Kilometer verringert.
Nach Angaben der Betreiber kosten der Tunnel 5,5 Milliarden Euro (Stand 2008), die von dänischer Seite vorfinanziert werden, und die Anbindung auf deutscher Seite rund eine Milliarde Euro. Die Anbindung auf dänischer Seite ist noch teurer als die auf deutscher. Nach der Eröffnung zahlen die Nutzer die Baukosten in Form einer Maut zurück, die etwa genau so hoch sein soll wie die Kosten eines Fährtickets. Derzeit kostet die einfache Passage für ein Auto mit bis zu fünf Personen zwischen 72 und 94 Euro.
19 Aktenordner mit 10.200 Seiten
Am vergangenen Freitag (18. Oktober) reichten die Projektträger, die staatliche Betreibergesellschaft Femern A/S und der schleswig-holsteinische Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr (LBV) in Lübeck die Planfeststellungsunterlagen ein. Sie umfassen 19 Aktenordner mit 10.200 Seiten und 230 Plänen. Die Umweltverträglichkeitsstudie wird allein auf 6.000 Seiten ausgebreitet.
Rechtliche Grundlage des Vorhabens, über das bereits seit Jahrzehnten diskutiert wird, ist ein Staatsvertrag zwischen beiden EU-Staaten aus dem September 2008. Bis dahin hatte die deutsche Seite auf die dringenden dänischen und insbesondere südschwedischen Wünsche nach einer festen Verbindung unter der Vogelfluglinie verhältnismäßig reserviert reagiert. Daraus erklärt sich auch der Umstand, dass die Vorfinanzierung des Tunnels allein der dänischen Seite überlassen wurde.
Zunächst wurde offen gelassen, ob die Querung als Brücke, als Tunnel oder als Mischform zwischen beiden umgesetzt wird. Schließlich entschieden sich die Betreiber für den Tunnel, der den Angaben zufolge die geringsten Auswirkungen auf die Umwelt haben soll. Seine Röhren kommen auf deutscher Seite in der Nähe des bisherigen Fährbahnhofs Puttgarden wieder an die Oberfläche. Die bisher eingleisige Schienenverbindung soll hier zweigleisig, die bisher zweispurige Bundesstraße 207 in der Verlängerung der A 1 vierspurig ausgebaut werden.
18 Monate dauert das Verfahren
Das Planfeststellungsverfahren soll 18 Monate dauern. Danach würde im Sommer 2015 der Planfeststellungsbeschluss erlassen, und die Bauarbeiten auf deutscher Seite könnten beginnen. Vorher soll in Dänemark das Baugesetz verabschiedet werden, die entscheidende Voraussetzung im Nachbarland für den Baubeginn.
Einschneidende Veränderungen bringt der Tunnel für die Verkehrsstruktur der gesamten Region. Zurzeit wird überhaupt kein Schienengüterverkehr über die Fehmarnsund-Fähren abgewickelt; alle zwei Stunden setzen die Schiffe einen ICE oder Eurocity-Zug in jede Richtung über. 2012 nutzten nach Angaben der Betreiber 850 Zugreisende und 5.331 Fahrzeuge täglich die Fähren zwischen Puttgarden und Rödbyhavn. Daneben verkehren noch weitere deutsch-dänische Fähren den Sund: Rostock-Gedser und Rostock/Travemünde-Trelleborg. Für die feste Querung rechnen die Betreiber mit einer Steigerung im Jahr 2021 auf etwa 8.000 Fahrzeuge sowie 78 Güter- und 40 Personenzüge täglich.
Der Ausbau der Bahntrasse zwischen Lübeck und Puttgarden soll jedoch erst nach der Eröffnung des Tunnels beginnen. Wenn das Verkehrsaufkommen weiter steigt, muss überlegt werden, wie die Bahn im und um den ohnehin bereits überlasteten Bahnknoten Hamburg damit fertig werden kann. Wer heute auf der Strecke Hamburg-Flensburg-Odense-Kopenhagen mit dem Zug fährt, dem begegnen in engem Takt Güterzüge auf dem Weg zwischen dem Rangierbahnhof Maschen und seinem Gegenstück Malmö in Schweden.
Touristen und Schweinswale
Die Fehmarnbeltquerung ist seit Jahren auch umstritten. Die Gegner führen einerseits ins Feld, dass die erwarteten Verkehrssteigerungen einen derartigen Aufwand nicht rechtfertigen, andererseits wehren sie sich aber auch dagegen, dass künftig viele Güterzüge durch die vom Tourismus stark abhängige Region zwischen Lübeck und Puttgarden fahren sollen. Naturschutzverbände fürchten um die bedrohte Art der Schweinswale besonders während der immerhin sechsjährigen Bauzeit.
Während des Baus werden zwar nach Tausenden zählende Arbeitsplätze in der Region geschaffen, aber danach verringert sich möglicherweise die Zahl der Fährverbindungen über den Belt. Selbst die schleswig-holsteinische Landesregierung forderte vom Bundesverkehrsministerium eine Neubewertung des verkehrstechnischen Nutzens der Querung, nachdem Wissenschaftler die Berechnungen der zu erwartenden Steigerung des Verkehrsaufkommens infrage gestellt hatten. Die Projektträger versuchen, die aus ihrer Sicht größtmögliche Transparenz herzustellen, indem sie ein Dialogforum eingerichtet haben, um die Bürger und Interessengruppen während des gesamten Genehmigungs- und Bauprozesses zu beteiligen.