Unprätentiöse Managerin der Macht

Ralph Bollmanns Buch „Die Deutsche – Angela Merkel und wir“

Berlin, 1. August (ssl) Ein von Bewunderung und Sympathie inspiriertes und dabei doch lesenswertes Buch über Bundeskanzlerin Angela Merkel hat der Journalist Ralph Bollmann verfasst. Der wirtschaftspolitische Korrespondent der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ versucht in dem am Donnerstag vorgestellten Buch „Die Deutsche – Angela Merkel und wir“ die seit Jahren außerordentlich hohen Popularitätswerte der früher oft unterschätzten und zuweilen auch belächelten CDU-Politikerin zu erklären. Laut Bollmann steht Merkel in den Augen der Deutschen für einen nüchternen und bescheidenen Machtpragmatismus. Mit ihren protestantischen Leistungs- und Verzichtsethos spreche die CDU-Vorsitzende „eine tief sitzende Prägung der Deutschen an“.

Die Bundesbürger schätzten die von Merkel repräsentierten Prinzipien und könnten sich darüber mit der Kanzlerin identifizieren, lautet die Grundthese. Diese entfaltet der Autor auf 218 Seiten und in elf Kapiteln, die jeweils auf verschiedenen politischen Feldern wie Griechenland, Atom oder Staatsräson Merkels Politik der letzten Jahre nachzeichnen. Der Blick des Zeitungskorrespondenten auf das politische Kalkül und die politischen Motive der Kanzlerin liefert dabei das Material für die Charakterisierung der beliebtesten deutschen Politikerin.

Das für Merkels Popularität mit Abstand wichtigste politische Ereignis ist für Bollmann dabei die Eurokrise. Die Krise sei für die Kanzlerin, was für ihren Vorgänger Helmut Kohl die Wiedervereinigung gewesen sei: „Das Ereignis, das der eigenen Kanzlerschaft eine historische Aura verlieh.“ Dabei zeichnet der Autor durchaus die politischen Haken nach, die Merkel gerade bei der Behandlung Griechenlands schlug. Er erwähnt, dass die CDU-Vorsitzende dem hoch verschuldeten Land erst jede Hilfe verweigerte und sich dann doch für sein Verbleiben in der Eurozone engagierte.

Auch wenn Bollmann Merkels Europapolitik nicht abschließend beurteilen will, fällt sein Fazit sehr positiv aus. Merkels Leistung sei es, Deutschland als wichtigstes Land des Kontinent in der Krise ruhig gehalten zu haben und „die große Utopie der Vereinigten Staaten von Europa heruntergedimmt zu haben auf eine Politik der kleinen Schritte“, ohne die Utopie aufzugeben. Der Autor rechnet es Merkel hoch an, dass trotz Eurokrise die Rechtspopulisten in Deutschland chancenlos geblieben sind.

Weniger als Merkels Machtpragmatismus interessieren den Autor allerdings die realen Folgen von Merkels Politik in den Eurokrisenländern. Zu erinnern ist daran, dass die Kanzlerin 2010 Griechenland und Spanien zunächst jedwede Hilfe verweigerte. Real waren es am Ende dann auch nicht Merkels kleine Schritte, die die Krise entschärften, sondern es war die Ankündigung von EZB-Präsident Mario Draghi, dass die Zentralbank alles finanziell notwendig zum Erhalt des Euro tun werde. In Griechenland und Spanien ist derzeit ein Viertel der Erwerbstätigen arbeitslos. Derweil haben Fiskus und Exportwirtschaft in Deutschland in den vergangenen Jahren von Minizinsen und niedrigem Eurokurs kräftig profitiert. So gesehen hat Merkels Krisenpolitik durchaus auch das Prädikat wirtschaftsegoistisch verdient.

Jürgen Voges

Bollmann, Ralph: Die Deutsche – Angela Merkel und wir. Stuttgart: Klett-Cotta 2013. 224 Seiten, 17,95 €. ISBN 978-3-608-94750-2