Berlin, 2. Februar (ssl) Tanken in Berlin kann so schön sein, besonders wenn das Benzin preiswert ist wie jetzt. Aber manchmal öffnet es auch tiefe Einblicke in die Händlerseele. Wenn das Lesegerät nicht geht.
Du kommst mit deinem Auto an die Tankstelle. Eine Zapfsäule ist frei. Du hältst davor, entriegelst den Tankdeckel, steckst den Rüssel in die Öffnung und lässt es laufen. Als die 50 Liter hineingeflossen sind, steht der Zähler an der Zapfsäule auf 61,88 Euro.
Nun ja, immer noch besser als vor einem Jahr. Du gehst in den Verkaufs- und Kassenraum, wo die Inhaberin und eine Kollegin sichtlich genervt mit dem Kartenlesegerät kämpfen. Gerade rufen sie jemanden an, der es am Vorabend neu installiert hat.
„Funktioniert nicht“, sagen sie resignierend, als du deine Kreditkarte hinlegst. „So viel Bargeld habe ich aber nicht dabei“, sagst du schüchtern. Eine Viertelstunde, drei Anrufe und etliche Versuche später klappt es immer noch nicht. Dir wird die Zeit knapp, und du schlägst vor, sie sollten dir ihre Kontonummer geben oder vielleicht eine Rechnung, du lässt dafür eine Visitenkarte da, und wenn das Geld in drei Tagen nicht da ist (scherzhaft!), könnten sie dich ja verklagen.
Nein, das ginge nicht, sagt die Dame und holt ein Formular. Es ist ein Schuldschein. In ihm werden erst einmal die wichtigsten Daten eingetragen: Name, Vorname, Adresse, Geburtsdatum und -ort, Automarke, Kennzeichen, Personalausweis-Nummer und „gültig bis“ (nach Vorlage des Originaldokuments, versteht sich). Was man eben so braucht. Dann noch der handschriftliche Vermerk „kommt gegen 22.30 vorbei“, weil du gesagt hast, du könntest am Abend nach der Arbeit kommen und bezahlen.
Natürlich war es wieder ein hektischer Tag. Die Bankautomaten waren so weit entfernt, dass du nicht dazu gekommen bist, Geld zu holen. Also versuchst du es noch einmal ohne Cash. Vorfahrt an der Tanke: „Bezahlen mit Kreditkarte zurzeit nicht möglich“, steht an den Zapfsäulen. „Das hätten sie mal am Morgen hinschreiben sollen“, denkst du dir. So spät am Abend ist nur noch der Nachtschalter offen, dahinter ein sichtlich unwirscher Dienstleister. „Ich kann nur mit Kreditkarte meine Schulden begleichen.“
„Geht nicht.“
„Dann wird es Montag.“ (Es ist Freitagabend.)
„Na gut, kommen Sie rein.“
Und da funktioniert es mit der Kreditkarte. Bezahlt; und den Schuldschein erst nach Aufforderung zurückerhalten. Und ihn am nächsten Tag erst gelesen: Als ob sie dem letzten Spritpreller das Geld gestundet hätten. Es liest sich nicht so, als hätte jemand sich auf die Angaben an der Tür verlassen, geduldig 20 Minuten gewartet und dann ein sauberes, unter Kaufleuten übliches Verfahren angeboten. Denn das ist doch ein Kaufvertrag, den man abschließt, wenn man den Rüssel in die Tanköffnung steckt und es laufen lässt.
Zwei Euro „Zinsen und Kosten für Darlehen und Lagerung pro Tag (pauschal)“, das klingt nach Wucher. Bei 60 Euro Schulden sind das 1.200 Prozent im Jahr. Hätte eigentlich nur noch gefehlt, dass sie dir die zwei Euro für den Freitag abgenommen hätten. Dann hättest du ihnen eine Rechnung für „besondere Aufwendungen wegen Nichterfüllung der Versprechen an der Eingangstür“ geschickt. Nicht pauschal.