Caspar David und der Dauermischwald


Unromantisches Plädoyer für nachhaltige und zugleich wirtschaftliche Forstwirtschaft

Caspar David Friedrich: Wanderer über dem Nebelmeer (1818). © Gemeinfrei

Berlin, 14. Oktober (ssl) Mit einem engagierten Plädoyer für eine grundlegende Reform der Forst- und Holzwirtschaft hat der Forstwissenschaftler Wilhelm Bode die Diskussion um die Zukunft der Wälder auf der Erde bereichert. Er setzt sich in „Waldendzeit“, erschienen in der Nature-Writing-Reihe „European Essays on Nature and Landscape“ des KJM-Verlages dafür ein, Forstflächen mit Dauermischwäldern zu bewirtschaften.

Damit stellt Bode sich allerdings dem seit 150 bis 200 Jahren aus Deutschland weltweit exportierten und praktizierten Modell des Altersklassenwaldes, also der Fichten- oder Kiefern-„Plantage“, ebenso entgegen wie der romantisierenden Idee „Zurück zum Naturwald“ verschiedener Natur- und Waldschützer. Diese tut er als unnütz und wenig nachhaltig ab, denn der Wald müsse genutzt werden, nicht als Brennstoff, sondern um Holz zur Ablösung der  CO2-intensiven Zement- und Betonbaustoffe bereitzustellen. 

Der Dauermischwald ist ein Forst, der aus verschiedenen Baumarten „unter der Mutter Buche“ besteht, die sich selbst fortpflanzen (anstatt nach Aussaat auf gerodeten Flächen zu wachsen), in allen Höhen und Altersgruppen gleichzeitig leben und denen Nutzholz nur aus den Oberständen entnommen wird.

Laut Bode, der einst Waldsprecher des Nabu war, wird dieses Modell derzeit im wesentlichen nur von Privatwaldbesitzern praktiziert, während Forstwirte bei Wäldern im öffentlichen Eigentum in der Regel nach wie vor dem Plantagenmodell folgen, auch wenn sie resistentere Baumarten einzusetzen beginnen. Wo Dauermischwälder bewirtschaftet werden, seien sie allerdings lukrativ und ertragreich, wenn auch erst nach längerer Anlaufzeit. Aber der Waldboden wird nicht durch schwere Maschinen, zu geringen Eintrag von humusfähigen Stoffen, durch einseitige Beanspruchung und Erosion belastet. Für Bode stellen Dauermischwälder damit quasi die ideale Lösung zur wirtschaftlichen und klimafreundlichen Forstwirtschaft dar.

Romantischer Ansatz 

Bodes Ansatz hat dabei auch etwas Romantisches, aber sehr Plastisches: Er erklärt das Modell, wissenschaftlich entwickelt in den 1920-er Jahren, aber dann in der Wirtschaft weitgehend ignoriert, an berühmten Wald-Gemälden, vor allem an denen von Caspar David Friedrich. Diesem unterstellt er, festgemacht unter anderem am „Wanderer im Nebel“, mindestens unbewusst „ein früher Kritiker der aufgeklärten Waldbauzeit“ zu sein. Unter anderem belegt er das mit den peniblen Studien des Malers zu Details der später gemalten Bäume.

Keine schlechte Idee, und viel weiter entfernt von Beweisbarkeit als die immanenten Interpretationen der Kunstgeschichte ist er damit wohl auch nicht. Wäre es Friedrich ein wirkliches Herzensanliegen gewesen, hätte er sich natürlich auch direkt mit dieser Kritik an die Öffentlichkeit oder gar an die Regierenden wenden können.

 

Auch bei anderen berühmten Malern, etwa Paul Klee, Gustav Klimmt oder Pablo Picasso entdeckt Bode Waldbilder, die als Argumente für nachhaltige Waldbewirtschaftung gelten können. Damit zeigt er so ganz nebenbei, wie Kunst aus vergangenen Jahrhunderten uns beim Verständnis heutiger Probleme helfen können. Wären solche Interpretationsversuche populärer, könnte etwa der Kunst-, aber auch der Literaturunterricht an den Schulen davon hinsichtlich seiner grundlegenden Rechtfertigung profitieren. Wer das Buch gelesen hat, schaut nicht nur den Wald, sondern auch die einschlägigen Gemälde mit anderen Augen an. Und er kauft bestimmt nie eine Holzpellet-Heizung. Denn viel schneller kann man CO2, das Bäume jahrzehntelang gebunden haben, nicht wieder in die Atmosphäre blasen.

Bode, Wilhelm: Waldendzeit. Mit einem Vorwort von Hans Joachim Schellnhuber. In der Reihe European Essays on Nature and Landscape. Hamburg: KJM Buchverlag 2024. Zahlreiche Gedichte, Fotografien und Gemälde-Reproduktionen. Gebunden, 160 Seiten. ISBN 978-3-96194-247-3. 24 €.