Klaus Kinkels 80. Geburtstag: Für die FDP und für Europa
Berlin, 20. Dezember (ssl) Klaus Kinkel, eine Ikone der Freien Demokraten, wird 80. Dafür hat ihm die FDP am Dienstag eine Feier ausgerichtet. Sie sollte ursprünglich in der Parteizentrale in der Reinhardtstraße stattfinden; die Zahl der Gratulanten wuchs aber trotz des Zeitpunkts in den ersten Tagen des Weihnachtsurlaubs dermaßen an, dass in den Saal eines nahegelegenen Hotels umgezogen werden musste.
Und dann am Vorabend das Lkw-Massaker am Breitscheidplatz!„Wir haben heute nacht lange überlegt: Darf man nach diesen Ereignissen feiern, sich freuen? Wir finden: Man muss!“, sagte Christian Lindner, Kinkels amtierender Nachfolger im Amt des Parteichefs.
Rund 300 Gäste erhoben sich zum Gedenken an die Opfer der Katastrophe auf dem Weihnachtsmarkt und applaudierten hinterher, als Lindner zur Begründung nachschob, man lasse sich durch solche Ereignisse nicht den offenen, liberalen Lebensentwurf zerstören. Und so wurde die Feier zu einer teils ernsten, teils fröhlichen Bekräftigung der Werte Europas, zumal an der Wand hinter der Bühne ein sehr ernsthaftes, heute genauso wie 1992 wahres und wichtiges Zitat des zu Ehrenden leuchtete: „Europa wächst nicht allein aus Verträgen, es wächst aus den Herzen seiner Bürger oder gar nicht.“
In diesen Tagen sind Zweifel angebracht, ob Europa noch in genug Herzen wächst, und deshalb gilt es, das Lebensgefühl mit allen friedlichen und rechtsstaatlichen, aber auch emotionalen Mitteln zu verteidigen. Der skeptischen Generation muss immer wieder vor Augen geführt werden, dass viele der heutigen angenehmen Selbstverständlichkeiten ohne den europäischen Gedanken und ohne die europäische Praxis gar nicht möglich wären.
“Alles andere sind Künschtler!”
Dr. iur. Klaus Kinkel ließ sich während seiner Amtszeit erst als Chef des BND, dann als Bundesjustiz- und schließlich als Außenminister und Vizekanzler gerne als „preußischer Schwabe“ bezeichnen ließ. Für ihn seien ohnehin nur promovierte Juristen und Mediziner die wahren Doktoren gewesen, „alles andere sind Künschtler“, zitierte Lindner (M.A.) seinen Amtsvorgänger in nicht ganz perfektem Schwäbisch. Lindner, selbst Politikwissenschaftler, bezeichnete Kinkel als Verantwortungsethiker und wunderte sich, dass der die Unionspolitik in der letzten schwarz-gelben Koalition des 20. Jahrhunderts als „prinzipienfest und vertragstreu“ bezeichnete. Das scheint er so nicht zu kennen.
Damit lieferte Lindner dem eigentlichen Laudator der Geburststagsfeier, Finanzminister und Ex-CDU-Chef, Innenminister und Unionsfraktionschef Wolfgang Schäuble, eine Steilvorlage. Er meinte – übrigens in Anwesenheit von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), vielleicht habe das ja auch am Koalitionspartner gelegen. Schäuble berichtete unter anderem von den zahlreichen Tennismatches, die er gegen Kinkel „immer verloren“ habe, obwohl er, Schäuble, sich selbst eigentlich für den besseren gehalten habe. Dass es ihm trotzdem stets Spaß gemacht habe, sich mit Kinkel zu messen, sage viel über dessen Charakter aus. „Klaus Kinkel ist ein anständiger Mensch“, beschrieb Schäuble unter anhaltendem Beifall den Jubilar. Und er erinnerte, ohne die Jahreszahl 1991 zu nennen, genüsslich daran, dass Kinkel überhaupt erst in die FDP eingetreten ist, als er bereits zum Bundesminister der Justiz ernannt wurde – ein Umstand, den Lindner elegant vergessen hatte. Schon zwei Jahre später wurde der Ziehsohn von Hans-Dietrich Genscher Parteichef, was einige Schlüsse über seine verhaltene Beliebtheit im damaligen „mittleren Management“ der FDP zulässt. Kinkel selbst gab am Dienstag auch zu: „Mein Amt als Parteivorsitzender war keine absolute Glanznummer.“ Schäuble, der unermüdliche Europa-Vereiniger, hielt eine flammendes Plädoyer für Europa und für die „unveräußerlichen Werte“, die der Kinkel immer als Kompass gehabt habe. „Er wollte nie ein ‚Weltklugscheißer‘ sein.“
Der so Gelobte ließ es sich dann nicht nehmen, neben den üblichen Belobigungen seiner Frau – die beiden sind 55 Jahre verheiratet – und einiger Freunde und Weggefährten auch Lindner, Kanzlerin Angela Merkel und den Kollegen Steinmeier zurückzuloben: Er wolle in diesen Zeiten seinen Job nicht machen, gestand er. Und: „Ich freue mich, dass der Bundespräsident wird. Und der ist auch der Richtige.“ Bemerkenswert überparteilich , aber er hatte einen sachlichen Grund: Mehr als 50 Prozent der Tätigkeit in diesem Amt sei Außenpolitik.
Dass Europa nicht vor die Hunde geht
Kinkel wagte dann auch noch einen Ausflug in die Außenpolitik: Er forderte alle im Saal auf mitzuhelfen, „dass dieses Europa nicht vor die Hunde geht“. Der Westen, allen voran US-Präsident Barack Obama, sei durch das dreiste Verhalten des russischen Präsidenten Wladimir Putin blamiert. „Die Welt ist aus den Fugen.“ Er sei da nicht so optimistisch wie Schäuble, aber er hoffe natürlich dennoch, dass es gut gehe. Und zum Tennis musste er auch noch was sagen, quasi als Entschuldigung, dass er gewonnen habe. Er habe das nicht mit Absicht gemacht: „’S isch halt so komme!“
Es war eine Veranstaltung, die nötig war angesichts dessen, was sich zur selben Zeit draußen und vor allem im Internet abspielte. Es war ein Schulterschluss für die gute Sache Europa, für die guten westlichen Werte und für Anstand. Hoffentlich haben die Anwesenden die Macht, diese Werte und diesen Anstand in die Zukunft zu retten.