Ringen um die Zukunft des Nacht-TEE

Connecting Europe Express macht Halt in Berlin

Der historische TEE bei der Ausfahrt aus dem Bahnhof Berlin Südkreuz. © Fotos: Thomas Rietig

Berlin, 30. September (ssl) Als „rollendes Labor“ bezeichnen die Initiatoren den „Connecting Europe Express“ mit der beziehungsreichen Abkürzung CEE, einen Sonderzug, der seit einigen Wochen kreuz und quer durch den Kontinent fährt. Mit dem blauen Zug will die EU-Kommission im „Jahr der Schiene“ 2021 die Rolle betonen, die diesem Verkehrsträger im grenzüberschreitenden Verkehr beim Kampf gegen den Klimawandel zukommt. Die Laborfunktion besteht darin, die Hindernisse zu erkennen und zu überwinden, die diesem Verkehr im Wege stehen. Sie werden bei Zwischenhalten auf dem Weg von Lissabon nach Paris – mit Umwegen etwa über Budapest 20 000 km lang – thematisiert.

Am Mittwoch (29.09.) lief der CEE im Berliner Bahnhof Südkreuz ein, begrüßt von politischer Prominenz: Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, der Kabinettschef der EU-Transportkommissarin Adina Valean, Walter Goetz, DB-AG-Chef Richard Lutz und der Regierende Bürgermeister Michael Müller lobten in kurzen Reden den hohen Wert der Eisenbahn für nachhaltige Mobilität. Die EU hat 2021 zum Jahr der Schiene ausgerufen. Lutz wünschte sich ein Jahrzehnt der Schiene, wohl wissend, dass Eisenbahnplanungen und -innovationen sehr lange dauern. Tags darauf sprach Scheuers Staatssekretär, der Beauftragte der Bundesregierung für den Schienenverkehr Enak Ferlemann, gar vom 21. Jahrhundert als dem Jahrhundert der Eisenbahn.


Posieren für den internationalen Schienenverkehr: Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller, Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, der Kabinettschef der EU-Verkehrskommissarin, Walter Goetz, und Kristian Schmidt, Direktor Land der EU-Generaldirektion für Mobilität und Transport der EU-Kommission (von rechts).

Auch zugegen war ein historischer TEE der Baureihe VT 11.5. Er ist im Bestand des Koblenzer DB-Museums, außen und innen schick renoviert, kann aber nicht mehr eigenständig fahren. Der Verbrauch der großen Dieselmotoren, ein Triebkopf sogar mit Gasturbine, spottet ohnehin jeder heutigen Beschreibung. Diese Ikone der 50-er und 60-er Jahre stellte im Südkreuz aber sicher, dass nicht nur Fachleute, sondern auch Eisenbahnfans und Wartende auf den anderen Bahnsteigen neugierig auf europäischen Bahnverkehr wurden. Immerhin haben die schnellen Züge mehrerer europäischer Bahnen das Reisen auf der Schiene hier und da attraktiver gemacht und auch die Reisedistanz, die täglich bewältigt werden kann, ist gestiegen. Vor einiger Zeit, während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, rief Scheuer unter Beifall der EU das System TEE 2.0 aus, das an die legendären Europa-Züge wie den stylischen TEE anknüpfen soll, wenn auch ohne eigens dafür entwickelte Züge, und auf dem Deutschlandtakt und ähnlichen Projekten in den Mitgliedstaaten aufsetzt. (Mehr unter den Bildern.)

Der Gasturbinen-Triebkopf.
Innen Plüsch und Platz.
Fahrweg 1957.
Blick in den Maschinenraum.

Alles in Ordnung also? Wer genau hinschaut, merkt, dass es mit dem grenzüberschreitenden Schnellverkehr nicht weit her ist, sieht man mal von einigen Verbindungen zwischen Deutschland und Frankreich https://www.thetrainline.com/de/bahnunternehmen/db-sncf oder Benelux und London im Westen Europas https://www.eurostar.com/rw-en ab. So wurden bei der anschließenden Konferenz im Technikmuseum zur Zukunft des grenzüberschreitenden Hochgeschwindigkeits- und Nachtzugverkehrs die Probleme deutlich, als die Praktiker zu Wort kamen. Zu Zeiten des VT 11.5 hieß Hochgeschwindigkeit übrigens 140-160 km/h im Fahrplan, und Nachtzüge fuhren – wie heute manchmal auch – oft extra langsam, damit hinreichend Zeit zum Schlaf blieb.

Als größte Hürde vor der Akzeptanz stellte sich neben den Preisen die schwierige Buchungssituation heraus. „Langstreckentickets zu buchen ist einfach schrecklich“, sagte Monique Goyens, die Generaldirektorin der europäischen Verbraucherorganisation BEUC, und beklagte sich über mangelnden Datenaustausch unter den Gesellschaften mit dem Ziel einer einheitlichen europäischen Buchungsplattform. Christopher Irwin vom Europäischen Fahrgastverband EPF berichtete, dass er von seinem Heimatort westlich von London die Alternative zwischen einem Zugfahrschein nach Berlin für mehr als 300 Pfund für 19 Stunden und einem Ryanair-Ticket für 9,99 Pfund hatte. Er flog dann bis Frankfurt und fuhr von dort mit dem ICE nach Berlin.

Wer kennt es nicht: “Preisauskunft nicht möglich”? (Screenshot von bahn.de)

Lutz beklagte fehlende Infrastruktur und Digitalisierung sowie mangelnde Kompatibilität des Rollmaterials wegen unterschiedlicher und schleppender Zulassungsformalitäten in einzelnen EU-Ländern. Tobias Heinemann, Sprecher der Geschäftsführung der Transdev, einer Tochter der französischen Staatsbahn SNCF, die Nachtzüge auch in Deutschland betreibt, beschwerte sich über Wettbewerbsbehinderungen durch Netzbetreiber.

„Es kann nicht allein mit Wettbewerb funktionieren“, resümierte Irwin und forderte regulierende Eingriffe in den internationalen Verkehr. Er fand unter den Unternehmensvertretern wenig Unterstützung, von Subventions-Anregungen abgesehen. Wie sagte Goetz bei Empfang für den Zug: „Das Momentum ist günstig. Wir haben keine Opposition. Geld ist auch da. Wir müssen es nur möglich machen.“