Das Auto findet seinen Parkplatz

Notizen von der Bosch Connected World 2018

Berlin, 23. Februar (ssl) Zwei Großindustrielle sitzen in einer S-Klasse und parken ein. Normalerweise ist das kein Grund für 4.000 Menschen, ihnen begeistert zuzugucken. Am Mittwoch ist es in Berlin passiert. Es handelte sich um Bosch-Chef Volkmar Denner auf dem Beifahrersitz und am Steuer Daimler-Chef Dieter Zetsche, dem nachgesagt wird, er könne gut einparken. Als Großindustrieller verlernt man sowas ja vielleicht, wenn man immer mit Chauffeur unterwegs ist.

4.000 Menschen bei der Connected World 2018. Foto © Thomas Rietig

Zetsche fuhr in der „Station Berlin“ in Kreuzberg auf ein leicht erreichbares markiertes, etwa 6 x 2,5 qm großes Rechteck und – stieg aus, kurz auf sein Smartphone drückend. Denner verließ das Auto ebenfalls, und beide schauten zu, wie das leere Auto von selbst weiterfuhr. Es stoppte kurz vor unachtsamen Passanten und parkte dann in einer durch Zurückstoßen zu erreichenden Parklücke ein. Denner und Zetsche begaben sich in die Halle.

Wenn es nicht draufstünde, würde man es nicht merken. Alle Sensoren liefert das Parkhaus.

Drinnen verfolgten das Tausende an Großbildleinwänden. Es war eine Aufführung des „Automated Valet Parking“-Systems von Bosch auf der alljährlichen „Connected World“ (BCW)  , einem Networking-“Must“ für die Internet-of-Things-Wirtschaft. Das Interesse an dieser Veranstaltung ist seit 2014 um das Zehnfache gewachsen. Es ist ein „normaler“ Kongress, verbunden mit einer Ausstellung und einem Hackathon. Allein zu diesem Entwicklerwettstreit kamen diesmal 700 Teilnehmer zusammen.Sie konnten sich in Pausen an einem lernenden KI-Tischkicker abarbeiten. Da er noch am Anfang der Ausbildung stand, fiel es den Menschen leicht, ihn zu besiegen.

Der lernende Tischkicker. Noch kann der Mensch ihn leicht besiegen. Aber er hat schon Kollegen, die es dem humanen Spielpartner sehr schwer machen.

Das automatische Einparken im öffentlichen Raum, das in Kürze im Parkhaus des Mercedes-Benz-Museums in Stuttgart seine Feuertaufe erfahren soll, ist nur eine von vielen Anwendungen, mit denen sich der weltgrößte Autozulieferer Bosch der Zukunft des Autos stellt. Es soll ohne weitere Zusatzeinrichtungen im Auto funktionieren, damit auch Fahrzeuge ohne Sensoren für automatisiertes Fahren einparken können. Vorteile: 1) Im Parkhaus ist mehr Platz, weil der Abstand zwischen den dort parkenden Autos nicht mehr das Öffnen der Türen zulassen muss. 2) Die hin und wieder rangierintensive Einparkzeremonie, die eventuell mit Blechschäden verbunden ist,  entfällt für den Menschen. Nachteile: Es gibt wieder mehr Platz für Blech in den Städten. Auf die Frage des Moderators in der Halle, welches Auto er denn wohl in fünf Jahren fahren werde, antwortete Zetsche allerdings: „Wahrscheinlich weiter meinen 300 SL.“ Damit will er ja hoffentlich nicht ins Parkhaus fahren. Obwohl – wenn es der mit Flügeltüren ist: die nehmen auch kaum zusätzlichen Platz weg.

Fahrgemeinschaft per App

Zurück in die Jetztzeit mit einer weiteren Anwendung: Denner kündigte an, dass der Konzern den virtuellen Fahrgemeinschafts- (Ridesharing-) Dienst SPLT erworben habe, den er weltweit ausrollen will. Die Anwendung ist für Arbeitgeber gedacht, deren Beschäftigte damit die gemeinsame Fahrt zur Arbeit und zurück Fahrgemeinschaften organisieren können. Außerdem richtet der Konzern eine neue Division ein, die sich ausschließlich mit vernetzter Mobilität beschäftigt. Sie soll mehr als 600 Mitarbeiter umfassen. Eines der Projekte ist ein Highway Pilot. Er wird dem Fahrer ermöglichen, beim Auffahren auf eine Autobahn das Fahren komplett dem vernetzten Fahrzeug zu überlassen. Es navigiert auf der Basis von Sensor-Informationen am Straßenrand, aber vor allem von benachbarten Fahrzeugen. Dazu bedarf es allerdings eines sehr stabilen, flächendeckenden 5G-Netzes, damit alle Umgebungs-Informationen quasi in Echtzeit ins Auto gebracht und von ihm verarbeitet werden können.

Autos informieren sich über die Cloud gegenseitig. Aber es sind auch direkte Konnektivitäten denkbar. Grafik: Bosch

Bosch positioniert sich mit diesem Schwerpunkt auch als Konkurrent des Kunden Daimler, was aber zumindest nach außen die Chemie zwischen Denner und Zetsche nicht zu beeinträchtigen schien. Beide hoben in ihren Keynotes darauf ab, dass ihr Focus nun sehr stark auf „CASE“, wie das Akronym bei Daimler heißt – Vernetzung, Automatisiertes Fahren, Sharing und Elektromobilität – ausgerichtet ist. Dabei wissen alle Stakeholder, dass es alleine nicht mehr geht. Ein Beispiel ist die Zusammenarbeit der großen deutschen Autohersteller beim Kartendienst HERE. Die multiple Vernetzung braucht nicht nur einen Konsens über Schnittstellen, sondern auch Arbeitsteilung in allen Bereichen.

Soweit es die Smart City angeht, war bei Bosch noch eine weitere Park-Anwendung zu sehen, die Innenstadt-Fahrer schon lange herbeisehnen: Connected Parking . Nach Zieleingabe im Auto-Navi sucht und meldet die Anwendung automatisch freie Parkplätze in der Nähe. Nicht nur in vernetzten Parkhäusern oder -plätzen, sondern auch am Straßenrand. Möglich wird das, indem viele Fahrzeuge mit Sensoren ausgerüstet sind, die Lücken in der Masse der parkenden Fahrzeuge erkennen und unterscheiden können, ob es sich dabei etwa um eine Halteverbotszone, eine Einfahrt oder eben eine verfügbare Parkfläche handelt. Das soll in 20 US-Städten, aber auch zahlreichen deutschen und europäischen Metropolen eingerichtet werden. Wirklich sinnvoll ist es erst, wenn reichlich Fahrzeuge mit Sensoren durch die Städte kurven. Kämpfer für ein humaneres urbanes Leben dürften sich auch hier daran stören, dass damit zwar weniger unnützes Herumsuchen nach einem Parkplatz, aber keine Reduktion des Blechanteils in unseren Städten verbunden ist, sondern eher im Gegenteil. Mag sein, dass dieser App nur ein kurzes Leben als Übergangslösung beschieden ist.

The sound of the machine

Die BCW hatte auch solche innovativen B2B-Lösungen im Automotive-Bereich parat, bei denen sich so mancher fragt, wieso er nicht selbst darauf gekommen ist. Wer sein Auto in eine Old-School-Werkstatt bringt, weil es beim Fahren „irgendwie ruckelt“, trifft dort vielleicht einen altgedienten, höchst erfahrenen Facharbeiter, der sich das Auto anhört. So einen, der damals bei „Wetten, dass…?“ überlegt hat, ob er sich nicht melden soll, weil er jeden Magirus-Deutz-Typ am Motorgeräusch erkennt, und jetzt, kurz vor der Pensionierung, nimmt er akustisch die kleinste Unsauberkeit im Leerlauf wahr. Er ist unentbehrlich für seinen Chef, und die Kunden loben ihn über alles.

Der Mann kann froh sein, dass er bald in Rente geht. Die Porsche-Tochter MHP  ist dabei, seine Fähigkeit einer Computer-Umgebung zu übertragen. „Ein Klang ist wie ein Fingerabdruck: Jedes Produkt mit beweglichen Teilen hat seinen eigenen Klang“, sagt Stefan Muderack von MHP. Da sie in ihrem „Lab“ keine Werkstatt mit signifikanten Geräuschen hatten, haben sie ihre Idee an der Kaffeemaschine ausprobiert. „Wir kauften ein Mikrofon und einen Raspberry PI und ließen ihn die unterschiedlichen Geräusche lernen, die die Maschine bei der zehn unterschiedlichen Angeboten von Kaffeegetränken von sich gibt.“

Eine ernsthafte Anwendung konnte am MHP-Stand betrachtet werden: die Kontrolle, ob eine Kabelverbindung mit Stecker und Muffe auch mit dem erforderlichen „Klick“ für ordnungsgemäßes Verbinden verbunden wurde und nicht mit Klack oder Klock oder gar ohne Sound, was bedeutet hätte, dass die Connection nicht physisch sicher erledigt wurde. So kann sichergestellt werden, dass wenigstens diese Verbindung in einem dichtverkabelten Auto sich nicht nach einer Fahrt über eine Buckelpiste oder bei ähnlichen Fährnissen des Alltags löst. Oder der Akustiksensor hört genau zu, wenn Autotüren im Werk getestet werden, was normalerweise zwei Wochen lang ununterbrochen mit 100.000 Öffnungs- und Schließvorgängen mit zahllosen Änderungen der Umgebungsbedingungen passiert. Klingt es zufällig unter widrigen Umständen unsauber, wenn kein Kontrolleur in der Nähe ist, so weist es das Akustikprotokoll dennoch aus, und der Fehler kann analysiert und behoben werden.

Muderack zählt die positiven Folgewirkungen auf: Es entfallen Werkstattaufenthalte und die Suche nach Fehlerquellen, Zeitverlust für den Besitzer und Prestigeverlust für den Hersteller. Die wichtigste Publikumsfrage konnte Muderack auch beantworten: „Latte Macchiato ist am lautesten.“ Ok, der alte Mechaniker hätte es rausgehört, und routinierte Kaffeeprofis wissen es eh.