Länder wollen 8,5 Milliarden jährlich für S- und U-Bahnen

Verkehrsminister der Länder erwarten Vermittlungsverfahren bei Regionalisierungsmitteln

Berlin, 19. Dezember (ssl) Die Bundesländer haben sich mit Gewerkschaften und Verkehrsunternehmen zusammengeschlossen, um vom Bund mehr Mittel für den Schienennahverkehr zu erhalten. Dabei geht es um rund acht Milliarden Euro jährlich. Derzeit sind es 7,3 Milliarden Euro Bundesmittel; die Länder wollen 8,5 Milliarden 2015 und dann jeweils 2,7 Prozent mehr. Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann kündigte am Freitag (19. Dezember) in Berlin an, die Länder würden ihre Forderung im Vermittlungsverfahren zwischen Bundestag und Bundesrat durchzusetzen versuchen.

Länder wollen mehr Geld für den Schienennahverkehr vom Bund. Hier ein Doppelstock-Triebzug der ODEG, wie er in Berlin fährt. Foto: stadlerrrail.com
Länder wollen mehr Geld für den Schienennahverkehr vom Bund. Hier ein Doppelstock-Triebzug der ODEG, wie er in Berlin fährt. Foto: stadlerrrail.com

Erstmals festgelegt wurde die Zuweisung dieser Mittel bei der Bahnreform 1994. Damals wurde die Zuständigkeit für Busse und Bahnen im Regionalverkehr auf die Länder übertragen, die ihn seither ausschreiben und bestellen. Das einschlägige Gesetz sollte eigentlich in diesem Jahr revidiert werden. Die Länder haben im Bundesrat einstimmig einen Gesetzentwurf beschlossen, der die Aufstockung der Mittel von derzeit 7,3 Milliarden auf 8,5 Milliarden Euro jährlich und die Erhöhung der Dynamisierungsrate von 1,5 auf 2,7 Prozent über einen Zeitraum von 15 Jahren vorsieht. Dem steht ein Entwurf der Bundesregierung gegenüber, der für das kommende Jahr die 7,3 Milliarden festschreibt. Gleichzeitig erwartet Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble offenbar, dass die Zukunft der Regionalisierungsmittel im Rahmen der anstehenden Verhandlungen über die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzierung geklärt wird.

Hermann (Grüne) warf Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) Versagen in dieser Sache vor. Dobrindt stimme zwar inhaltlich dem Länderanliegen zu, de facto „fällt er uns aber in den Rücken“, indem er lediglich auf die Zuständigkeit des Finanzministers verweise. „Was öffentlichen Personennahverkehr angeht, ist dieser Minister ein Totalausfall“, sagte Hermann. Zugleich halte Dobrindt ein Gutachten unter Verschluss, das wesentlich höhere Erfordernisse als derzeit für die Finanzierung des regionalen Schienenverkehrs vorsieht. In der Tat werden in diesem Gutachten, das Schiene Straße Luft teilweise vorliegt, als Basis-Wert 2015 genau 7,658 Millionen Euro und als Dynamisierungsrate 2,67 Prozent ermittelt, also bereits eine deutliche Steigerung gegenüber den Ist-Werten.

Vermittlungsausschuss wohl im März

Normales parlamentarisches Verfahren vorausgesetzt, werde die Entscheidung zwischen den beiden Gesetzentwürfen im März in den Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat gehen, kündigte Hermann an. Damit wird es recht unwahrscheinlich, dass noch vor der Sommerpause ein Kompromiss zustande kommt. Die Länder drohten deshalb mit Einschnitten in das Angebot. Der mecklenburg-vorpommersche Verkehrsminister Christian Pegel (SPD) erklärte, im Nordosten gebe „es so gut wie keinen Fernverkehr mehr“, abgesehen von einzelnen ICE-Verbindungen am Tagesrand zwischen Rostock und Berlin. Das sei Gift für die Urlaubsregionen an der Ostsee. Deshalb gebe das Land Mittel in Regionalexpress-Züge, die Berlin mit Stralsund, Greifswald und dem Hinterland von Rügen und Usedom verbinden. Eine Dynamisierung um lediglich 1,5 Prozent jährlich liege 70 bis 80 Prozent unter der erwarteten Kostensteigerung. Auch für eine große Ost-West-Verbindung in Mecklenburg-Vorpommern stehe bald ein Vertragsabschluss über 15 Jahre an. „Deshalb brauchen wir schnell Planungssicherheit für 15 Jahre“, klagte Pegel. Die hohen Anschaffungskosten für Züge und deren lange Lebensdauer bedingen eine lange Laufzeit der Verträge.

Auch EVG-Chef Alexander Kichner kritisierte erneut die vom Bund angenommene Dynamisierungsrate als viel zu niedrig. „Der Bund rechnet an anderer Stelle mit einer Erhöhung der Trassenpreise für die Bahnen um 2,4 Prozent jährlich“, sagte Kirchner. Damit nahm er Bezug auf die vor wenigen Tagen mit der Bahn AG beschlossene Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung Schiene (LuFV), die diese Preisentwicklung für die Trassennutzung vorsieht. Der EVG-Vorsitzende nannte das Vorgehen „konzeptlos“ und forderte erneut einen „Schienengipfel“ (wir berichteten), bei dem die Bahnpolitik der Bundesrepublik perspektivisch festgelegt werden solle.

50 Mal so viele Fahrgäste wie im Flugverkehr

Die Vorstandsvorsitzende der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), Sigrid Nikutta, verwies als Präsidiumsmitglied des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) darauf, dass im Personennahverkehr rund zehn Milliarden Fahrgäste jährlich befördert würden, „50 Mal so viel wie im Flugverkehr“, mit steigender Tendenz. Der ÖPNV werde immer gefordert, wenn es um Klimawandel, um Inklusion und andere gesellschaftliche Errungenschaften gehe. Das alles koste Geld, und mangelnde Ausstattung setze die Verkehrsunternehmen unter starken Druck hinsichtlich der Arbeitsplätze, der Qualität ihrer Leistungen und der Sicherheit. Der Sanierungsrückstau betrage derzeit vier Milliarden Euro, „jährlich kommen 500 Millionen hinzu“, sagte die BVG-Chefin. Wenn das so weiter gehe, stünden manche Kommunen bald vor der Wahl, etwa bei U-Bahn-Tunneln: „Zumachen oder neu bauen.“ Und das werde viel teurer.