Gigaliner bremst besser, aber Blumen am Kreisel doch in Gefahr

Berlin, 16. September (ssl) Blumenrabatten an Kreisverkehren sind entgegen der Ankündigung des früheren Bundesverkehrsministers Peter Ramsauer doch durch Gigaliner gefährdet. Das steht indirekt im Zwischenbericht für den Feldversuch mit den offiziell „Lang-Lkw“ genannten Fahrzeugen, den das Verkehrsministerium am Dienstag in Berlin veröffentlichte – eine Woche vor der Internationalen Automobil-Ausstellung für Nutzfahrzeuge (IAA) in Hannover. Ein bei verkehrsrelevanten Situationen erhöhtes Gefahrenpotenzial machte die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) bei dem Feldversuch jedoch nicht aus. Im Gegenteil, je nach Konfiguration des langen Gespanns verbesserte sich sogar das Bremsverhalten. Auch der Kraftstoffverbrauch sank, gemessen an der Transportmenge. Der Bericht stieß auf geteiltes Echo.

Im einzelnen konstatieren die Forscher der BASt, dass „sich wirklich gravierende Probleme im Feldversuch nicht gezeigt haben“. Der Versuch läuft seit 2012 und noch bis 2016. Die von Ramsauer angedachten 400 Lkw als Teilnehmer wurden nie erreicht; insgesamt waren es bisher 85 Fahrzeuge von 39 Unternehmen daran teil, von denen einige bereits wieder ausgeschieden sind. Es geht um die Frage, ob Lastzüge mit einer Gesamtlänge von 25,25 Metern höhere Gefahrenquellen im Straßenverkehr und höhere Belastungen der Infrastruktur als die bisher zulässigen 18,75 Meter langen Fernlaster darstellen. Das jeweils zulässige Gesamtgewicht blieb dabei gleich bei 40 Tonnen im Direktverkehr bzw. 44 Tonnen im Kombinierten Verkehr.

Gigaliner-Typen

Gigaliner

Grafik: BASt

Die Wissenschaftler der Bundesanstalt machten allerdings „ergänzenden Forschungsbedarf“ aus, da sich einige der Argumente gegen die Gigaliner wegen zu geringer Anzahl von Untersuchungsobjekten beziehungsweise Verkehrssituationen nicht entkräften ließen und andererseits einige Fragen wegen des Anforderungskatalogs offen blieben. So ermittelten sie bei den achtachsigen Lang-Lkw erwartungsgemäß besseres Bremsverhalten als bei fünf- bis sechsachsigen normalen Gliederzügen. Sollten allerdings die acht Achsen nicht als Bedingung festgeschrieben werden, relativiere sich dies wieder. Die BASt riet dann auch genau zu dieser Festlegung, auch wegen der dann geringeren Straßenbeanspruchung.

Als positiv ermittelte die BASt tatsächlich, dass etwa zwei Lang-Lkw-Fahrten drei Fahrten mit normal langen Gespannen ersetzen. Daraus ergebe sich ein um gut 20 Prozent geringerer Spritverbrauch, gemessen an der Transportmenge, aber nur bei voller Beladung. Die vermutete höhere Gefahr beim Überholen auf Landstraßen konnte die BASt nicht belegen. Die Fahrer der Versuchs-Laster hielten sich durchweg an die für alle Lkw über 7,5 Tonnen dort vorgeschriebene Geschwindigkeit von 60 km/h, was zu häufigen, allerdings illegalen Überholvorgängen durch „kurze“ Lkw führte.

Negativ merkten die Forscher an, dass die Abstellplätze an Rastanlagen für Gigaliner zu klein sind. Das gilt auch für Nothaltebuchten in Tunnels. In derzeitigen Auslegungen von Kreisverkehren und höhengleichen Kreuzungen bereiteten die Lang-Lkw hin und wieder Probleme, indem sie wegen ihrer größeren „Schleppkurve“ – dem für die Umfahrung von Ecken nötigen Flächenbedarf – Randstreifen und Fahrstreifen der Gegenfahrbahnen „mitnahmen“.

Ramsauers Nachfolger Alexander Dobrindt (CSU) erklärte, der Feldversuch sei „bisher erfolgreich“ verlaufen. „Die Fahrzeuge fahren sicher und unauffällig im Verkehr mit. Der Bericht bestätigt, dass zwei Lang-Lkw drei reguläre Lkw ersetzen können. Das spart bis zu 25 Prozent Sprit“, sagte er. Als wichtige Ergebnisse bezeichnete er:die Effizienzgewinne und Kraftstoffeinsparungen, die relative Schonung der Infrastruktur und dass es „keine Hinweise auf größeren Stress oder eine erhöhte psychologische Beanspruchung der Fahrer“ gebe. Der weitere Verlauf des Versuchs ermögliche, „einige Fragestellungen wie die Parkplatzanforderungen für Lang-Lkw näher zu untersuchen“. Er verwies darauf, dass sein Ministerium Anfang September das Netz der für die Lastzüge freigegebenen Straßen um 120 Strecken erweitert habe.

Wissmann: Echter Öko-Laster

Der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann, nannte den Gigaliner wegen „rund 20 Prozent weniger Spritverbrauch und CO2-Emissionen“ einen „echten Öko-Laster“. Mit dem Zwischenbericht der BASt würden verbliebene Zweifel am Lang-Lkw entkräftet. „Alle Bundesländer, die noch nicht am Feldversuch teilnehmen, sollten die Chance jetzt ergreifen. Sie sollten in einem ersten Schritt ihre Autobahnen für Lang-Lkw freigeben.“

Anders die Gigaliner-kritische Allianz pro Schiene. Nach Ansicht ihres Geschäftsführers Dirk Flege bestätigt der Bericht des Bundesverkehrsministeriums „die Sorgen der Bevölkerung in puncto Verkehrssicherheit“. Obwohl zur Zeit weniger als 80 Gigaliner durch Deutschland führen, sind im Laufe der ersten Testphase schon mehrere Unfälle passiert, einer sogar auf einer ortsnahen Kreuzung außerhalb der erlaubten Routen“, kritisierte er. Tatsächlich registrierten die BASt-Forscher fünf Unfälle, bei denen allerdings nur leichter Sachschaden entstand. Nur bei einem davon ergaben sich Anhaltspunkte dafür, dass er wegen der Überlänge des Fahrzeugs verursacht wurde.

„Auch die Befürchtung, dass durch den Einsatz von Gigalinern Verkehr von der Schiene auf die Straße verlagert  wird, konnte durch den Bericht nicht entkräftet werden“, sagte Flege. „Es bleibt dabei: Gigaliner sind gefährlich, umweltschädlich und teuer für die Steuerzahler.“