Schienenbranche fordert Milliardenprogramm

Aufstockung der Infrastrukturmittel auf 6,5 Milliarden verlangt – Lkw-Maut soll auf allen Straßen und für Fernbusse gelten

Zuwachs an Trassenkilometern und erwartete Engpässe im deutschen Schienennetz 2030. © Deutsche Bahn AG
Zuwachs an Trassenkilometern und erwartete Engpässe im deutschen Schienennetz 2030. © Deutsche Bahn AG

Berlin, 25. September (ssl) Die Schienenverkehrsbranche hat von der neuen Bundesregierung ein integriertes Verkehrskonzept und eine stärkere Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene gefordert. Spitzenvertreter der Bahnindustrie, der Nichtregierungsorganisationen und der Eisenbahnunternehmen verlangten am Mittwoch in Berlin mit einem gemeinsamen Forderungskatalog unter dem Motto „Fahrplan Zukunft“ darüber hinaus eine Aufstockung der Mittel für Erhalt, Ausbau und Neubau der Schienenwege um knapp 2,5 Milliarden Euro jährlich auf 6,5 Milliarden, um die dringendsten Vorhaben anzugehen und das marode Netz zu sanieren. Finanziert werden könne das unter anderem mit einer Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Straßen, auf Lastwagen unter zwölf Tonnen und auf Fernbusse, schlugen sie vor.

 

Der Verkehr sei in Deutschland „Klimakiller Nummer eins“, sagte der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege. Dennoch fehlten klare Ziele zur Reduzierung der Schadstoffemissionen. Er schlug als Ziel eine Verringerung um 25 Prozent bis 2020 für alle Verkehrsträger vor. Außerdem solle die neue Bundesregierung die in Sonntagsreden immer wieder gewünschte Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene mit konkreten Zielen unterfüttern, zum Beispiel mit einer Erhöhung des Marktanteils der Schiene im Personenverkehr bis 2020 auf 15 Prozent und im Güterverkehr auf 25 Prozent. Zurzeit halten der Schienen-Personenverkehr einen Anteil von 8,2 Prozent und der Schienengüterverkehr 17,2 Prozent am jeweiligen nationalen Gesamtverkehrsaufkommen.

Die Mittel für den Erhalt der Schieneninfrastruktur sollten nach Ansicht der Allianz pro Schiene auf 3,5 Milliarden Euro jährlich erhöht werden; in Neu- und Ausbauten sollten zusätzlich drei Milliarden gesteckt werden, verlangte Flege. Dem steigenden Verkehrsaufkommen nicht gewachsene Bahnkorridore und –knoten wirkten zunehmend als Wachstumsbremse, sagte er und kritisierte, dass im CDU-Wahlprogramm nur von erhöhten Investitionen in die Straßeninfrastruktur die Rede sei. „Wir hoffen, dass die Parteien sich bei den Koalitionsverhandlungen auf ein Verkehrsträger übergreifendes Konzept verständigen.“

Die Ziele könnten nach Meinung der Allianz erreicht werden, wenn Mittel umgeschichtet und die Lkw-Maut nicht nur auf das gesamte Straßennetz, sondern auch auf Lastwagen mit einem geringeren Gesamtgewicht als zwölf Tonnen sowie auf Fernbusse ausgedehnt würde. Auf eine gemeinsame Haltung zu der von der CSU geforderten Pkw-Maut konnten sich die drei Verbände allerdings nicht verständigen. Flege sagte lediglich, sein Verband lehne eine Vignettenlösung als umweltpolitisch falsch ab.

Deutsche Zulassungen kosten das Zehnfache

Für den Verband der deutschen Bahnindustrie forderte Präsident Michael Clausecker eine Beschleunigung der Zulassungsverfahren für Schienenfahrzeuge. „Wir geben in Deutschland im Vergleich mit anderen Ländern das Zehnfache für die Zulassungsprozeduren aus“, klagte er, räumte aber ein, dass die Beteiligten in den letzten Jahren dank zahlreicher Krisensitzungen am Runden Tisch auf dem richtigen Weg seien. Der bestehe darin, das Eisenbahn-Bundesamt von Detailprüfungen zu entlasten und diese einschlägig zertifizierten Organisationen zu überlassen. Bei 20 von 24 Zulassungsbereichen sei einer entsprechenden Gesetzesänderung bereits durch eine Absichtserklärung aus dem vergangenen Juni vorgegriffen worden.

Clausecker verlangte darüber hinaus mehr Fördermittel für den Lärmschutz im Schienenverkehr. Die bisher bewilligten 150 Millionen Euro für den gesamten Zeitraum der Umrüstung von Güterwagen auf leise Bremssohlen bis 2020 reichten nicht aus, um den erhöhten Betriebsaufwand abzufedern, der dieser Umrüstung folge.

Mehr Regionalisierungsmittel sollen steigendem Nahverkehrsaufkommen Rechnung tragen

Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Oliver Wolff, forderte eine höhere Dynamisierung der Regionalisierungsmittel, die der Bund den Ländern zur Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs bereitstellt. „Mindestens um 2,5 Prozent, ausgehend vom jetzigen Niveau“, müssten jährlich auf die 2014 rund 7,3 Milliarden Euro draufgelegt werden. Zurzeit beträgt die Dynamisierungsrate 1,5 Prozent. Wolff begründete seine Forderung damit, dass gerade in den Ballungsräumen die Zahl der beförderten Personen im öffentlichen Nahverkehr deutlich steige. Entsprechend erhöhe sich auch der Finanzbedarf. Auch er forderte eine „ausbalancierte, gesamthafte Perspektive“ für alle Verkehrsträger und wandte sich dagegen, dass der öffentliche Nahverkehr von der EEG-Umlage nicht länger ausgenommen werden solle, obwohl er doch „an allen Ecken versuche, grünen Strom einzukaufen und umweltfreundliche Beförderungslösungen forciere.