Politik geht mit Autobauern ins Gericht

Staatssekretäre aus Bund und Land beklagen allzu langes „Weiter so“ besonders bei Elektrobussen

Berlin, 27. Februar (ssl) Ungewohnt deutlich haben Staatssekretäre aus Bund und Land die deutsche Autoindustrie kritisiert. Besonders die Bushersteller bekamen beim Technischen Kongress des Verbandes der Automobilhersteller (VDA) in Berlin ihr Fett weg, weil sie seit Jahren keine Elektrobusse herstellen und damit deutlich etwa hinter China hinterherhinken. Überhaupt waren die externen Einflüsse auf den Kongress höchst ambivalent. Am selben Tag fiel in Leipzig das Bundesverwaltungsgerichtsurteil zur Zulässigkeit von Diesel-Fahrverboten. Zugleich gab Destatis offiziell bekannt, dass die Zahl der Verkehrstoten 2017 mit 3177 auf den niedrigsten Stand seit 60 Jahren gesunken ist.

In den Niederlanden klappt’s: Elektrobus in Maastricht.

„Die Antworten der deutschen Autoindustrie haben mich doch sehr nachdenklich gemacht“, sagte der Staatssekretär im CSU-geführten Bundesverkehrsministerium, Rainer Bomba, als er in seinem Grußwort an die 900 Teilnehmer von einer Delegationsreise nach Südamerika erzählte. Dort habe er aus der peruanischen Hauptstadt Lima einen Auftrag zum Aufbau eines Stadtbusnetzes mitgebracht. Die Stadtväter hätten 5.500 Elektrobusse, die Ladeinfrastruktur und das E-Ticketing aus einer Hand in mehreren Teillieferungen bestellen wollen, und sie hätten unbedingt deutsche Produkte haben wollen. Die deutschen Hersteller hätten auf das Angebot sehr verhalten reagiert und gefragt, ob es nicht auch modernste Dieselbusse sein dürften, denn sie seien erst 2021 in der Lage, größere Stückzahlen zu liefern. In der Folge hätten ausländischen Hersteller den Zuschlag bekommen, berichtete Bomba. Er warf den deutschen Busbauern vor, ihre „Hausaufgaben nicht gemacht“ zu haben.

In dieselbe Kerbe hieb der Staatsrat für Wirtschaft und Verkehr in Hamburg, Andreas Rieckhof. Es sei „kein Ruhmesblatt für die deutschen Hersteller“, dass sie noch immer keine Elektrobusse im Angebot hätten. Daimler-Chef Dieter Zetsche hatte erst vor einer Woche angekündigt, sein Konzern werde im Laufe dieses Jahres den ersten voll-elektrischen Stadtbus präsentieren. Hamburg habe bereits 2011 angekündigt, ab 2020 keine Busse mit Verbrennungsmotor mehr bestellen zu wollen. Nun würden möglicherweise 2019 erst Vorserienexemplare zur Verfügung stehen. Rieckhof deutete an, für den Fall, dass zu den von Hamburg gewünschten Zeitpunkten keine E-Busse deutscher Hersteller lieferbar seien, im Ausland, etwa in China, zu bestellen. „Das würden wir gerne vermeiden.“ Leider habe erst die Diskussion um die Fahrverbote Drive in das Thema gebracht, sagte er und erinnerte daran, dass mehrere deutsche Städte, darunter Berlin und Köln, mit Hamburg schon vor Jahren  eine Beschaffunginitiative gegründet haben, um der Industrie größere Stückzahlen anbieten zu können. „Das lohnt sich für beide“, meinte er. Rieckhof kritisierte auch die KEP-Dienste (Express- und Paketdienste) mit Ausnahme der DHL, weil sie bei ihrer Flottenerneuerung zu zögerlich vorgingen. Am liebsten sei ihm, wenn die Hersteller und die Kommunen sich zu einer Art Modellversuch zusammentun würden, das in Deutschland ausgerollt werden könnte. Der Hamburger Staatsrat nannte das „ein Angebot für eine neue Mobilität“.