Die Energiewende ist kostenneutral zu haben – wenn …

… bestimmte, aber realistische Bedingungen erfüllt sind. Neue Studie des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE)

Berlin, 05. November (ssl) Die Senkung des CO2-Ausstoßes um 85 Prozent bis zum Jahr 2050 gegenüber 2013 ist kostenneutral oder gar billiger als ein Festhalten am bisherigen Mix, wenn bestimmte, allerdings realistische Rahmenbedingungen erfüllt sind. Das ist eines der Kernergebnisse einer aktuellen Studie des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE), die Professor Hans-Martin Henning, einer der Autoren, am Mittwoch in Berlin präsentierte.

Die Kosten der Energiewende. "Ref." = Referenzszenario "weiter so wie 2013". ©Fraunhofer ISE
Die Kosten der Energiewende. “Ref.” = Referenzszenario “weiter so wie 2013”. ©Fraunhofer ISE

Zwei der Randbedingungen: Der Preise für fossile Brennstoffe muss im Jahresdurchschnitt um zwei Prozent steigen, und der Kohlendioxid-Ausstoß muss pro Tonne mit 100 Euro Gebühr belegt werden. Dann sind die Kosten der Energiewende um acht Prozent geringer als das Festhalten am Status quo. Wer die CO2-Emissionen noch weiter senken will, zahlt aber einen vermutlich unverhältnismäßig hohen Preis.

Kostenneutral heißt allerdings nicht „kostenlos“, wie Henning erklärte. Die kumulativen Kosten der Energiewende liegen seinen Berechnungen zufolge bei 5.342 Milliarden Euro. Ein „Weiter so“ mit eingefrorenen Kosten und ohne technologische Entwicklung käme dagegen mit 4.191 Milliarden deutlich billiger, aber eben auf Kosten anhaltend zu hohen CO2-Ausstoßes und anhaltender Abhängigkeit von fossilen Energien. Das wiederum verursacht volkswirtschaftliche Folgelasten wie Gesundheitskosten durch feinstaubbedingte Krankheiten, die das „Weiter so“-Szenario nicht enthält. Die Differenz von rund 1.100 Milliarden über 36 Jahre – zum Vergleich: die Kosten der Wiedervereinigung in den vergangenen 25 Jahren werden ebenfalls mit einer niedrigen vierstelligen Milliardensumme beziffert – entspricht allerdings auch „nur“ 0,8 Prozent des derzeitigen Bruttoinlandsprodukts.

Die in der Studie berechneten Abgaben für die CO2-Emissionen entsprechen in etwa einer zusätzlichen Belastung um 2,1 Euro-Cent pro Kilowattstunde Erdgas und 3,6 Cent pro kWh Braunkohle. Das Institut hat mehrere Szenarien untersucht, bei denen unterschiedlich tiefe Entwicklungen bei den wesentlichen Emissionsursachen zugrunde gelegt wurden, etwa hinsichtlich der Einbeziehung erneuerbarer Energien, energetische Gebäudesanierung, Antriebskonzepte für Fahr- und Flugzeuge sowie die Entwicklung von Speicher- und Umwandlungstechnologien.

Als Ziel wurde die Kostenminimierung bei Einhaltung der Klimaschutzziele bis 2050 vorgegeben. Den Sieg trug ein Szenario davon, bei dem eine hohe Sanierungsrate für Gebäude, ein Mix der Antriebskonzepte in der Mobilität und ein beschleunigter Ausstieg aus der Kohleverstromung – also bis 2040 wie von Umweltministerin Barbara Hendricks im Juli vorgeschlagen  – unterstellt wurden.

Relativ gesehen, ist die Energiewende nicht besonders teuer, bei politischer Steuerung sogar ein wenig billiger als ein "Weiter so". Die Szenarien, ihre Bedingungen und Kosten zeigt diese Grafik. ©Fraunhofer ISE
Relativ gesehen, ist die Energiewende nicht besonders teuer, bei politischer Steuerung sogar ein wenig billiger als ein “Weiter so”. Die Szenarien, ihre Bedingungen und Kosten zeigt diese Grafik. ©Fraunhofer ISE

Ausgehend von den bei Beginn der Arbeiten vorhandenen Daten des Jahres 2013, rechnete Henning die absehbaren Entwicklungen hoch. Das sei in gewisser Weise konservativ, räumte Henning ein, denn „disruptive Entwicklungen“ wie einschneidende Erfindungen zur Energieeinsparung, hätten wegen ihres naturgemäß überraschenden Auftretens nicht berücksichtigt werden können.

Unsichere Preisentwicklung bei fossilen Energieträgern

Wie bei Prognosen sprichwörtlich, hat auch diese Zukunftsvision den einen oder anderen Haken, etwa die Preisentwicklung bei den fossilen Energieträgern. Die Kosten sind seit 2013 um gut 25 Prozent gesunken, sodass einer durchschnittlich zweiprozentige jährliche Steigerung bis 2050 zunächst einmal eine „Aufholjagd“ vorausgehen müsste, um die Kostenneutralität zu erreichen. Tatsächlich ist auch nicht ausgeschlossen, dass die Preise schlagartig anziehen. Entsprechend dieser Randbedingungen sah Henning auch die größten Ungewissheiten seiner Prognosen im Verkehrswesen. Er nannte es „sicher richtig, die Elektromobilität zu fördern“, und empfahl der Politik ein Instrument, den CO2-Ausstoß weiter zu verteuern.

Elektromobilität fördern. So hat es Henning wohl nicht gemeint, aber ein Hingucker ist der Elektro-Mercedes SLS dennoch. Foto: Rietig
“Elektromobilität fördern.” So hat es Henning wohl nicht gemeint, aber ein Hingucker ist der Elektro-Mercedes SLS allemal. Foto: Rietig

Die ganze Studie gibt es hier: https://www.ise.fraunhofer.de/de/presse-und-medien/presseinformationen/presseinformationen-2015/was-kostet-die-energiewende-2013-wege-zur-transformation-des-deutschen-energiesystems-bis-2050