Flughafenausbau: Bürger sollen mehr mitreden

Flughafenverband gibt sich Leitlinien für mehr Transparenz – Schwachpunkt bleibt späte Festlegung der Flugrouten

Eine Möglichkeit des Trackings: Flugverläufe in Berlin-Tegel am Nachmittag des 26. März. Quelle: DFS, stanly_track
Flugverläufe lassen sich heute im Internet verfolgen. Bild: DFS, stanly_track

Berlin, 05. November (ssl) Bürger sollen mehr Mitsprachemöglichkeiten bei Ausbauvorhaben der Flughäfen haben. Dazu haben sich die deutschen Verkehrsflughäfen verpflichtet. Mit Leitlinien legt ihr Verband ADV jetzt die Struktur der Bürgerbeteiligung verbindlich fest. Damit ziehen die Flughäfen nicht nur Lehren aus den Protesten gegen die jüngsten Neubauten und Erweiterungen, sondern kommen auch einer gesetzlichen Vorgabe nach, die allerdings keine zwingenden Verfahrensvorschriften enthält. Schwachpunkt bleibt aber der große Abstand zwischen der Planfeststellung eines solchen Vorhabens und der Festlegung der Flugrouten. Es kann zehn Jahre und mehr dauern, bis Bürger und Gemeinden Planungssicherheit im Hinblick auf den Fluglärm über sich haben.

Die Arbeitsgemeinschaft deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) stellte am Mittwoch in Berlin ihre „Leitlinien für eine gute Bürgerbeteiligung bei Ausbauvorhaben“ vor. Damit folgt sie einer Empfehlung im Verwaltungsverfahrensgesetz, demzufolge die betroffene Öffentlichkeit „frühzeitig über die Ziel des Vorhabens, die Mittel, es zu verwirklichen, und die voraussichtlichen Auswirkungen … unterrichtet“ werden soll. Konkret geht es derzeit um zwei milliardenschwere Ausbauvorhaben, das Terminal 3 des Frankfurter und die dritte Bahn des Münchner Flughafens.

Das Terminal 3 des Frankfurter Flughafens im Modell. Foto: Fraport
Das Terminal 3 des Frankfurter Flughafens im Modell. Foto: Fraport

ADV-Präsident Michael Kerkloh, der Vorstandschef des Münchner Flughafens, betonte bei der Vorstellung der Leitlinien am Mittwoch, dass es bei den Leitlinien nicht um das Ob, sondern um das Wie solcher Vorhaben gehe. Der Leiter der ADV-Arbeitsgruppe, die die Leitlinien entwickelt hat, Athanasios Titonis, sprach von dem „Partizipationsparadoxon“: Während das Interesse der Bevölkerung mit zunehmendem Baufortschritt immer intensiver werde, schwänden gleichzeitig ihre Einflussmöglichkeiten. Es gehe also darum, zum frühestmöglichen Zeitpunkt die Anwohner und ihre Vorschläge einzubinden. Am Flughafen Köln/Bonn schlugen Anwohner eine Änderung einer Flugroute innerhalb eines Korridors vor, die dann – wenn auch in einem recht zähen Prozess – umgesetzt wurde und zur Lärmentlastung beiträgt. Laut Kerkloh durften neu geschaffene Gremien im Umfeld des Münchener Start- und Landebahnprojekts sogar über die Varianten mitreden. Das Projekt insgesamt liegt derzeit auf Eis, weil die Bürger Münchens sich in einem Bürgerbegehren dagegen ausgesprochen haben. Dieses Votum müsse noch „überwunden werden“, bevor mit dem Bau begonnen werden könne, sagte Kerkloh.

Mit neuen Gremien wie einem Flughafenforum und einem Nachbarschaftsbeirat wurden in München schon vor der Einleitung des Planfeststellungsverfahrens relevante Gruppen eingebunden. Darin konnten die Beteiligten Planungsalternativen diskutieren. Darüber hinaus hat der Flughafen seine Information sowohl bei den Anwohnern als auch bei den kommunalen Aufgabenträgern verstärkt. ADV-Geschäftsführer Ralph Beisel hob als ein wesentliches Element der Transparenz auch die Steuerung künftiger Besiedelung hervor. Zwar gebe es entsprechende Empfehlungen in Gesetzen, aber der Grundsatz der kommunalen Selbstverwaltung erschwere es, Gebiete mit absehbar hohem künftigem Fluglärm von der Besiedelung auszunehmen. „Die Zahl der Betroffenen wächst durch Zuzug“, klagte Beisel.

Flugrouten über Berlin. Karte: Bundesamt für Flugsicherung
Flugrouten über Berlin. Karte: Bundesamt für Flugsicherung

Eine der größten Unsicherheiten bei der Planung eines Flughafens betrifft die künftigen Flugrouten. Bei dem neuen Berliner Flughafen waren sie eine wesentliche Ursache für den bis heute anhaltenden Protest. Zwischen der Planfeststellung 2004 und der endgültigen Festlegung der Flugrouten – die von den zunächst angedachten in vielen Punkten abwich – 2012 lag etwa ein Jahrzehnt, in dem sich im Süden Berlins viele Menschen ansiedelten. Die betroffenen Behörden begründeten den Verzug unter anderem damit, dass man bei der Festlegung den jeweils neuesten Stand der Technik berücksichtigen müsse. „So etwas wollen wir nicht wieder zulassen“, sagte Beisel. Den Flughäfen sind dabei aber die Hände gebunden; es ist Aufgabe der Ämter und letztlich der Bundesregierung, für eine Straffung dieser Zeitabstände zu sorgen.